Tötungsdelikte

 

a) Korrektur des Rücktrittshorizontz beim versuchten Tötungsdelikts

 

Zur Korrektur des sogenannten „Rücktrittsshorizonts“ führt der BGH in seiner Entscheidung vom 08. Mai 2012 aus, dass wenn der Täter (zunächst) davon ausging, dass das Opfer an den ihm zugefügten lebensgefährlichen Verletzungen (zwei Stiche in die Herzregion) sterben werde, eine durch das Nachtatverhalten des Opfers veranlasste rechtswirksame Korrektur des Rücktrittshorizonts von der Annahme eines beendeten in einen unbeendeten Totschlagsversuch nur dann in Betracht kommt, wenn die Änderung der Situationseinschätzung im engstem räumlichen Zusammenhang mit dem Vorverhalten erfolgt.

 

Daran kann es fehlen, wenn der Täter alsbald nach Vornahme der Tathandlung flieht und erst dabei bemerkt, dass sich das schwer getroffene Opfer vom Tatort entfernt (, obwohl es zunächst zu Boden ging und dort zunächst auch liegen blieb).

 

Die entsprechende Entscheidung des Bundesgerichtshofs können Sie hier nachlesen.

 

b) Mordmotiv: Niedriger Beweggrund -Eifersucht, Wut, Ärger, Hass und Rache-

 

Zum Vorliegen eines niedrigen Beweggrundes führt der BGH in seiner Entscheidung vom 01. März 2012 aus, dass bei facettenreichen Motivbündeln des Täters, die aus einem in gewisser Weise nachvollziehbaren Konglomarat aus (begründeter) Eifersucht, Enttäuschung, großer Verzweifelung, narzistisch geprägter Wut, aber auch endgültiger Verlustangst bestehen, die Beweggründe nach allgemeiner sittlicher Wertung nicht auf tiefster Stufe stehen und würden nicht in deutlich weitreichenderem Maße als bei einem Totschlag als verwerflich und deshalb als besonders verachtenswert erscheinen.

 

Die entsprechende Entscheidung des Bundesgerichtshofs können Sie hier nachlesen.

 

 

c) Strafzumessung beim Totschlag

 

Die zur Tötung normalerweise erforderliche Gewaltanwendung darf nicht strafschärfend berücksichtigt werden.

 

Bei Prüfung eines minder schweren Falls des Totschlags nach § 213 Alt. 2 StGB muss zu gunsten des Täters das Vorliegen einer Notwehrlage iSd. § 32 StGB berücksichtigt werden, selbst wenn der Täter die Grenzen dieses Rechtfertigungsgrundes überschritten hat.

 

Die entsprechende Entscheidung des Bundesgerichtshofs können Sie hier nachlesen.

Betäubungsmittelstrafrecht

 

 

a) Grenze der straflosen Vorbereitung zum Handeltreiben

Eine neue Entscheidung des 3. Strafsenats zur Abgrenzung von strafloser Vorbereitung und (versuchten) Handeltreiben mit Betäubungsmitteln bei der Errichtung einer Indoor-Plantage zum Anbau von Cannabis, welches nach der Ernte gewinnbringend veräußert werden sollte. Zu Grunde lag dieser Entscheidungfolgender Sachverhalt:

 

Der Angeklagte mietete am 3. Mai 2009 und am 30. Juli 2009 unter falschen Namen jeweils ein Einfamilienhaus für andere Personen an, um diesen dort den Anbau von Cannabis zu ermöglichen. Die für die Aufzucht benötigten Utensilien sollte ein Holländer liefern, der bereits an der Anlage ähnlicher Plantagen mitgewirkt hatte und dass Cannabis letztendlich in den Niederlanden verkaufen wollte. Während es in dem zuerst angemieteten Objekt nicht zum Aufbau einer Plantage kam, wurden in dem anderen Haus Cannabispflanzen angebaut.

 

Der Bundesgerichtshof kam mit seinem Beschluss vom 15. Februar 2011 zum Ergebnis, dass im Fall eins (Anmietung ohne weitere Vorbereitungshandlungen) noch keine strafbewehrte Vorbereitungshandlungen zum Handeltreiben vorlag.

 

Auch der strafrechtliche Aspekt des Anbaus von Betäubungsmittel im Sinne von § 29 Abs. 1 Nr.1 BtMG liegt mit der reinen Anmietung eines Hauses (noch) nicht vor. Ein gemeinsamer Tatplan ändere hieran ebenfalls nichts, so dass es bei der Anmietung eines Hauses -bei wertender Betrachtung- lediglich um eine typische Vorbereitungshandlung weit im Vorfeld des beabsichtigten Güterumsatzes handelt.

 

Die entsprechende Entscheidung des Bundesgerichtshofs können Sie hier nachlesen.

 

b) Abgrenzung Täterschaft und Teilnahme beim Kurier

Der Bundesgerichtshof hat in seinem Beschluss vom 30.08.2011 zur Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme beim unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln als Grundsatz festgelegt, dass die Tätigkeit als Rauschgiftkurier in der Regel als untergeordnet zu qualifizieren ist. Dies gelte daher erst recht für die Tätigkeit der Auswahl von Kurieren und ihre Betreuung.

 

Auch ein erheblicher Vorbereitungsaufwand oder eine große Menge Rauschgift ändert an diesem Befund nichts. Dies nahm der dritte Strafsenat jüngst für ein LKW-Fahrer, der 2,1 t Haschisch von Spanien nach Holland brachte (Beschluss vom 28.9.2010, 3 StR 359/1) oder für einen Spediteur, der für den geplanten Transport von 300 kg Kokain extra eine Spedition gründete und einen Kühltransporter mit besonders guten Versteck anschaffte (Beschluss vom 5.5.2011, 3 StR 445/10) an.

 

Im Ergebnis wird daher im Regelfall eine Teilnahme in Form der Beihilfe vorliegen.

 

c) Grenzen des bewaffneten Handeltreiben

 

Beim bewaffneten Handeltreiben reicht es für die Erfüllung dieser Qualifikation, wenn der Täter die Waffe bei irgendeinem Teilakt mit sich führt, wobei zu beachten ist, dass hierfür auch schon das Versuchsstadium ausreicht. Nicht ausreichend ist es jedoch, wenn der Täter lediglich im Vorbereitungsstadium zum Versuch eine Waffe bei sich führt. Dies wäre beispielsweise nach der Rechtsprechung des dritten Strafsenats bei der Anfahrt des Täters nach Holland gegeben, wenn dieser dort zunächst noch einen geeigneten Lieferanten finden muss. Anders ist dies jedoch zu beurteilen, wenn der Täter zu einem ihm gut bekannten Dealer fährt, um ein vorbesprochenes Drogengeschäft durchzuführen.

 

d) Bestimmende Strafzumessungsgründe bei BtM-Delikt

 

Die polizeiliche Überwachung des Drogentransports (inklusive gleichzeitiger Telefonüberwachung) und die vollständige Sicherstellung des gehandelten Rauschgifts sind wesentliche Strafmilderungsgründe, die der Tatrichter in die im Urteil zu dokumentierende Strafzumessung erkennbar einstellen muss.

 

Die entsprechende Entscheidung des Bundesgerichtshofs können Sie hier nachlesen.

 

e) Fahrt unter Drogen

 

Das Landgericht Waldshut-Tiengen betont, dass die Rechtsprechung für die Beeinträchtigung der Fahruntüchtigkeit nach Konsum von Drogen Wirkstoffsgrenzen wie beim Konsum von Alkohol bislang nicht entwickelt habe. Der Beschluss des Amtsgerichts werde deshalb aufgehoben, da der Beschuldigte bei seiner ärztlichen Untersuchung vor der Blutentnahme überhaupt keine Ausfallerscheinungen gezeigt habe; die Umstände, dass dem kontrollierenden Polizeibeamtinnen ein starkes Liedflattern sowie eine fehlende Pupillenreaktion aufgefallen sei, seinen keine ausreichenden Belege für eine drogenbedingte Fahruntüchtigkeit.

 

Der BGH hat schon früh darauf hingewiesen, dass anders als bei Alkohol der Nachweis einer rauschmittelbedingten Fahrunsicherheit auch weiterhin nicht allein durch einen bestimmten Blutwirkstoffbefund geführt werden kann. Das hier mitgeteilte Erscheinungsbild des Angeklagten reiche nicht aus.

 

Die entsprechende Entscheidung des Bundesgerichtshofs können Sie hier nachlesen.

 

f) Abgrenzung Mittäterschaft/Beihilfe

 

Eine untergerordnete Mitwirkung an der Abwicklung von Betäubungsmittelgeschäften Dritter als „Läufer“ vermag Mittäterschaft nicht zu begründen.

 

Dies ist immer dann der Fall, wenn sich die Tätigkeit des Angeklagten ausschließlich auf Transport und Übergabe des Rauschgiftes und die Entgegennahme des mit dem Händler vereinbarten Geldbetrages beschränkt. Wichtig ist, dass dem Angeklagten keine darüberhinausgehende Gestaltungsmöglichkeit zukam.

 

Die entsprechende Entscheidung des Bundesgerichtshofs können Sie hier nachlesen.

 

g) Abgrenzung Mittäterschaft/Beihilfe beim BtM Handel

 

Mittäterschaftliche Beteiligung am Bandenhandel mit Betäubungsmitteln setzt eigennützig geleistete Tatbeiträge voraus. Die bloße Unterstützung eines anderen eigennützig Handelnden vermag Mittäterschaft selbst bei Einbindung in eine bandenmäßigen Struktur nicht zu begründen.

 

Eigennützige Bemühung in diesem Sinne setzen voraus,dass diese darauf gerichtet sind, den Umsatz mit Betäubungsmitteln zu ermöglichen oder zu fördern. Nicht ausreichend ist es hingegen, wenn ein Täter nur den Eigennutz eines anderen mit seinem Tatbeitrag unterstützen will. So gilt dieses beispielsweise für den Fall, dass der Angeklagte lediglich das Bargeld aus den Erlösen der Drogengeschäfte entgegennimmt und vollständig an die Hintermänner weiterleitet.

 

Die entsprechende Entscheidung des Bundesgerichtshofs können Sie hier nachlesen.

 

 

h) Transporttätigkeit im Rahmen von BtM-Geschäften

 

Die Mitwirkung am Transport von Rauschgift kann eine mittäterschaftliche Beteiligung am Handel mit Betäubungsmitteln darstellen, wenn der Angeklagte ein eigenes Interesse am weiteren Schicksal des Geschäfts hat, etwa weil er am Umsatz beteiligt ist oder ein Anteil des erzielten Gewinns erhalten soll.

 

Dies soll schon gelten, wenn der Hintermann die Treffen mit den Lieferanten arrangiert, den Angeklagte telefonisch instruiert und das Geld zum Ankauf des Betäubungsmittel stellt, sowie die Mengen und Preise der Weiterverkäufe vorgibt, aber den Angeklagte mit 40 % an dem Gewinn beteiligt.

 

Die entsprechende Entscheidung des Bundesgerichtshofs können Sie hier nachlesen.

 

 

i) Vermögensabschöpfung /Bruttoprinzip

 

Einigkeit besteht allein in der Behandlung der Betäubungsmittelfälle, in denen sich der Leistungsaustausch auf eine nicht handelbare Sache bezieht. Bei solcherart verbotenen Geschäften liegt das Erlangte in der vereinnahmten Gegenleistung und umfasst den gesamten Erlös ohne Abzug des Einkaufspreises und sonstiger Aufwendungen. Die Strafsenate begründen dies mit der Entscheidung des Gesetzgebers für das Bruttoprinzip. Dieser habe das Tatbestandsmerkmal „Vermögensvorteil“ gestrichen und durch das aus der Tat erlangte „Etwas“ oder dessen Wert ersetzt. Damit habe er zum Ausdruck gebracht, dass wirtschaftliche Werte, die in irgeneiner Phase des Tatablaufs erlangt wurden, in ihrer Gesamtheit erfasst und abgeschöpft werden sollen. Im Falle einer Handelskette, in der ein und derselbe Vorrat an Betäubungsmitteln mehrfach umgesetzt wird, bedeutet dies,dass der Kaufpreis auf jeder Stufe in voller Höhe unter Berücksichtigungvon § 73 c StGB dem Verfall unterliegt.

 

Die entsprechende Entscheidung des Bundesgerichtshofes können Sie hier nachlesen.

 

j) Verwendungsmöglichkeit  der überlassenen Encrochat-Daten in deutschen Strafverfahren

Im Zuge einer europäisch koordinierten Aktion drangen französische Ermittlungsbehörden ab dem 01. April 2020 in die Computersysteme des Kommunikationsdienstes „Encrochat“ ein, indem sie einen Trojaner über die französischen Server letztendlich auf die Endgeräte von 32.477 Nutzern weltweit spielten. Der Grund dafür war der Verdacht, dass ein Großteil der Nutzer des Kommunikationsdienstes, welcher ursprünglich als abhörsicher galt, aus der organisierten Kriminalität stammen.

Eine nach Art. 31 RiLi-EEA erforderliches Ersuchen/Unterrichtung des französischen Staates bezüglich des auf deutschem Hoheitsgebiet überwachten Telekommunikationsverkehrs von Personen hat es nach bisherigem Kenntnisstand nicht gegeben.

Eine entsprechende Prüfung hätte zudem ergeben müssen, dass die Maßnahme mit den § § 100a, 100b StPO nicht vereinbar war/ist. Denn schon der erforderliche qualifizierte Tatverdacht einer Katalogstraftat gegen die betroffenen deutschen Nutzer war in den meisten Fällen nicht gegeben.

Auch ging in die französischen Behörden mit ihren Ermittlungsmaßnahmen -im Hinblick auf die Eingriffsintensität und die Streubreite- weit über das hinaus, was zur Strafverfolgung nach der deutschen Rechtsordnung überhaupt zulässig sein kann.

Denn es handelte sich um verdachtsunabhängige, gezielte und breit gestreute –heimliche- Massenüberwachung, die erst auf die Generierung von Verdachtsmomenten gegen die einzelnen Nutzer abzielte und damit um die systematische Suche nach Zufallsfunden.

Dies ist unstreitig nach keiner denkbaren Rechtsgrundlage des deutschen Strafprozessrechts möglich.

Eine zweckändernde Weiterverwendung der übermittelten Daten durch die deutschen Strafverfolgungsbehörden scheitert daher an der zwingenden hypothetischen Voraussetzung, dass die verwendeten Daten auch für den neuen Zweck neu erhoben werden dürften.

Da es die von den französischen Behörden durchgeführten Maßnahmen nach den Maßstäben der deutschen Rechtsordnung nicht geben kann, können auch daraus stammende Daten nicht im deutschen Strafverfahren verwendet werden.

Die aktuelle Praxis der Verwendung der überlassenen Daten, unter Missachtung der vorgenannten  dogmatischen Grundsätze, aufgrund eines angenommenen Gebots der Gerechtigkeit, kann nicht hingenommen werden.

 

Zusammenfassend kann man sagen, dass die erlangten Beweismittel in einem deutschen Strafverfahren nicht verwendet werden dürfen.

Dies muss sogar für den bislang nicht bekannten aber denkbaren Fall eines bereits vor dem 1. April 2020 gegebenen Tatverdacht hinsichtlich einer Katalogstraftat des Betroffenen Encro-Chat-Nutzers gelten.

Die entsprechende Entscheidung des Landgerichts Berlin können Sie hier nachlesen.